Zwiespältiges Weimarer Kapitel Stadtmuseum erinnert an "Frau Oberbürgermeister" Hellen Mueller-Schlenkhoff
Weimar. (tlz) Mit einer stark schillernden Persönlichkeit des Weimarer Kulturlebens befasst sich eine Ausstellung, die noch bis Sonntag im Stadtmuseum der Klassiker-Stadt zu sehen ist. Hellen Mueller-Schlenkhoff (1884-1961) kam 1920 als Ehefrau des neu gewählten Oberbürgermeisters, des Juristen Dr. Walter Felix Mueller, nach Weimar und wurde zu einer der tragenden Säulen des Weimarer Kulturlebens in den 20er und 30er Jahren.
Die deutsch-national Gesinnte gestaltete das Gesellschaftliche, soziale und kulturelle Leben der damaligen thüringeischen Ladeshauptstadt, knüpfte Verbindungen in höchste kreise von Staat und Wirtschaft, in Deutschland und im Ausland. Sie führte Gespräche mit Politikern, Künstlern, Wissenschaftlern, Schauspielern - etwa mit Reichspräsident Paul von Hindenburg, Kaiserin Hermine, Reichskanzler Hermann Müller, Max Planck, Gerhart Hauptmann, Ricarda Huch, Walter von Molo, Siegfried und Winfred Wagner, Richard Strauß, Henny Porten, den Familien Siemens und Krupp.
Hellen Mueller-Schlenkhoff war Mitglied im Weltbund für Frauenstimmrecht und staatsbürgerliche Frauenarbeit, im Vorstand des Richard-Wagner-Verbandes Deutscher Frauen und gründete und leitete den Goethe-Bund Deutscher Studenten. 1932 sorgte der Film "Goethe lebt!" für eine überregionale Weimar-Werbung.
Zwielichtig wird ihre Rolle, nachdem ihr Mann als Oberbürgermeister 1933 in die NSDAP eintrat und sie damit im Machtbereich der Nationalsozialisten - und sicher weitgehend in ihrem Sinne - agierte. Seit 1936 lud sie zu "Elisabeth-Förster-Nietzsche-Nachmittagen" ein. Gemeinsam mit dem Reichskunstwart Edwin Redslob arbeitete die Filmamateurin Hellen Mueller-Schlenkhoff bei Filmproduktuionen mit und übernahm neben Emmy Sonnemann und Heinrich George eine Statistenrolle. Sie hat Menschen, Orte und Ereignisse mit den damals modernsten Möglichkeiten - Fotografie, Film und Ton - dokumentiert.
Die von Andrea Dietrich kuratierte Ausstellung trägt den Titel "'Die Stadtmutter Weimars' -Die Filme und Fotos der 'Frau Oberbürgermeister' Hellen Mueller-Schlenkhoff" und präsentiert eine Reihe unbekannter Zeitzeugnisse aus dem Nachlass der Familie, der im Sommer 2005 in Teilen von der Stadt Weimar angekauft worden ist. Dazu zählen 24 s/w-16mm-Filmrollen, vier von ihr besprochene Schallplatten, ein Gästebuch für die Weimarer Jahre 1928 bis 1941, drei Alben mit Foto- und Text-Material ihrer Weimarer Zeit, die auch ein zwiespältiges Kapitel der Bürgertumsgeschichte Weimars dokumentieren. Sie sollten Gegenstand für weitergehende Forschungsarbeit sein, vielleicht auch Grundlage für eine Publikation.
Stadtmuseum Weimar, bis 16. oktober, tgl. 11-19 Uhr; Sa/So um 15 Uhr Führung durch die Ausstellung
Bildunterschrift:
Flugzeugtaufe auf den Namen "Weimar": Hellen Mueller-Schlenkhoff, die "Stadtmutter von Weimar" Anfang der 30er Jahre in Aktion. Das Foto gehört zum Teilnachlass, der vom Weimarer Stadtarchiv erworben wurde und in einer Ausstellung gezeigt wird.