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Rotes Telefon gerettet - aber Moskau ruft nicht an
Rotes Telefon gerettet - aber Moskau ruft nicht an
Rotes Telefon gerettet - aber Moskau ruft nicht an
Flugplatzverein Nohra hat erstes Militärmuseum der Region Weimar in Ulla eröffnet
von Sabine Brandt
NOHRA/ULLA. Sauna, Schwimmbad, Freibad, Sportplätze, Klinik, Kaufhalle, Restaurants, Schule, Kindergarten, nicht zu vergessen die Start- und Landeplätze, Hangars, Garagen, Wohnhäuser und Parkanlagen: Könnte man mit Hilfe von Google Earth auch in der Zeit zurückblicken, so zirka dreißig Jahre, dann ließe sich aus der Vogelperspektive zwischen Nohra und Ulla etwas erkennen, das mit seinen 240 Hektar bebauter Fläche gut und gerne als Stadt durchgehen konnte.
Geblieben ist von der vormals sowjetischen Militärliegenschaft rund um den Flugplatz Nohra so gut wie nichts. Der einzige ruhmreiche Eroberer, der hier noch zu tun hat, ist die Natur, die das Kasernengelände nach dem Abriss fast aller Gebäude überwuchert. Hätten sich vor Jahren nicht eine Handvoll Leute die Mühe gemacht zu retten, was sich retten ließ, würde die Erinnerung an die Geschichte des Flugplatzes Nohra längst verblassen.
Christian Handwerck vom Verein "Flugplatz Nohra" sperrt einen Raum im Untergeschoss des Ullaer Dorfgemeinschafshauses auf. Hinter der Tür liegt ein kleiner Teil des Erbes aus Sowjetzeiten und den Jahrzehnten davor, den die Heimatschützer und Ortshistoriker davor bewahren konnten, weiter im Militariahandel oder gar auf Flohmärkten verhökert zu werden.
Lange fand sich kein fester Platz für all die Uniformen und Geräte, für Tafeln, Waffen teile, Fotos, Bücher, Dokumente, Kartenmaterial, Abzeichen aus der Zeit seit 1917, dem Gründungsjahr des Flugplatzes. Das ist jetzt vorbei.
Auf dem Tisch: ein rotes Telefon als Teil einer größeren Kommunikationsanlage. Moskau, sagt Handwerck, hat bislang aber noch nicht angerufen.
Von ihrem Traum, ein Museum im noch erhaltenen Torhaus des Kasernengeländes in Nohra-Süd einzurichten, mussten die Mitglieder des Vereins wieder Abstand nehmen.
Nun also hat "das einzige Militärmuseum der Region Weimar" seinen Sitz in Ulla. Seine Initiatoren sind längst überregional gefragte Experten. So wirkten sie redaktionell an drei Fernsehdokumentationen über den Abzug der Sowjetarmee mit. Und Ende August, wenn sich der Abzug des allerletzten Sowjetsoldaten vom ehemaligen DDR-Gebiet zum 20. Mal jährt, werden Christian Handwerck und sein Vereinskollege Florian Kleiner im Rahmen des Petersburger Dialogs am Deutsch-Russischen Forum in Berlin teilnehmen. "Diese Einladung ist für uns ein wirklich ein großes Ding", sagt Handwerck stolz, "so etwas erlebt man nicht alle Tage". Die Teilnahme an der Konferenz in der Bundesakademie für Sicherheitspolitik betrachtet der Verein aus Nohra als Krönung seiner bisherigen Arbeit.
Noch sind die reguläten Öffnungszeiten des Museums überschaubar: Mehr als einen Sonntag im Monat können die Vereinsmitglieder aus eigener Kraft vorerst nicht anbieten. "Wir sind trotzdem Froh, den Status einer mobilen Ausstellung überwunden zu haben", sagt Handwerck.
Die wenigen Quadratmeter sind optimal genutzt. Trotz der Enge versucht der Verein, die Chronologie des Flugplatzes in ihrer Gänze abzubilden. Das erfordert äußerste Beschränkung: "Wir können nur einen ganz kleinen Teil zeigen". erldärt Florian Kleiner. Die meisten Ausstellungsstücke stammen aus der Zeit der sowjetischen Besatzung. Auch das Dritte Reich kommt vor. Auf die Amerikaner, die nach dem Zweiten Weltkrieg auch kurz in Nohra waren, kann die Ausstellung derzeit allerdings nicht eingehen: "Uns fehlt einfach der Platz."
In der Kammer nebenan sind noch einige unaufbereitete Schätze gelagert, etwa ein sowjetischer Fallschirm, direkt aus den Nohraer Beständen - originalverpackt und gefaltet "Wir haben es noch nicht gewagt, ihn auseinanderzunehmen", räumt Handwerck ein. "Vermutlich bekämen wir ihn nie im Leben wieder zusammen."
So lange es möglich war, genoss das Sichern und Bewahren von Spuren der früheren Nutzer oberste Priorität im Verein. Die Mitglieder mussten sich dafür mächtig sputen: Zeitweise konnten sie nur hilflos zugucken, wie die Geschichte von den Zähnen der Abrissbagger zermalmt wurde.
Mindestens so interessant wie die Hardware sind aber die Geschichten, die der Verein zusammengetragen hat - und die sich zum Teil als unausstellbar erwiesen haben. Sie handeln von Tanklagern, die unterirdisch immer noch existieren, und sogar von Raketen. Florian Kleiner kann von sowjetischen Zeitzeugen berichten, die schwören, dass derlei Gerät noch am Platze sei, irgendwo unter der Erde. "Ich will so etwas eigentlich gar nicht hören, weil es sich ohnehin nicht überprüfen lässt."

Das Museum Flugplatz Nohra in Ulla ist jeden ersten Sonntag im Monat, 15-17 Uhr, geöffnet.

Bildunterschriften:
Was tun bei Kriegswunden? Eine Wandzeitung aus den Sowjetkasernen in Nohra gibt nützliche Hinweise. Florian Kleiner und Christian Handwerck haben zahlreiche Spuren der Besatzer in Nohra sichergestellt. Gezeigt werden sie im Museum Flugplatz Nohra in Ulla. Fotos: Brandt

Die selbstgebastelten Warnschilder der Sowjetarmee waren vor der Wende im Umfeld der Standorte allgegenwärtig.
Quelle: Thüringer Landeszeitung vom 23.08.2014 | Tags: Deutsch-Russisches Forum, DRF, Museum, Nohra, Ulla4282 Mal gelesen seit 24.08.2014