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Weltoffenes Thüringen

Presse

Statt Fliegern, trällern Vögel
Lange Geschichte, viel Wirbel - Nun kommt für alte Kaserne die Abrissbirne
Nohra/Ulla (AA/tg).
Seit 16 Jahren ist der ohrenbetäubende Lärm der sowjetischen Hubschrauber in Nohra verstummt. So lange ist es her, dass "Matkas" mit grell-rot geschminkten Lippen den Gehweg Richtung Ulla/Tröbsdori flanierten. Doch Geschichten und Geheimnisse ranken sich bis heute. Diesen auf der Spur ist Christian Handwerck aus Ulla, der sich seit Jahren intensiv mit der Materie beschäftigt.
Die einstige militärische Liegenschaft mit zwei Objekten hat eine Fläche von rund 240 Hektar und befindet sich auf den Gemarkungen Nohra, Ulla, Obergrunstedt und Hopfgarten. Auf dem Gelände des ehemaligen Hubschrauberlandeplalzes wurde zu einem Landschaftspark umfunktioniert. Nur der abgespeckte Hangar und einige Platten künden von der einstigen Nutzung.
Angelegt wurde der Militärflugplatz (Rasenplatz) im Jahr 1916. Nach den Bestimmungen des Versailler Vertrages war es Deutschland damals verboten eine eigene Luftwaffe zu besitzen. Aus diesem Grunde wurde der Flugplatz Nohra 1919 bis 1921 unter Aufsicht alliierter Militärs unbrauchbar gemacht. Die verbliebenen Gebäude riss man ab.
Ab 1921 wurde der Flugbetrieb durch die neuen Nutzer Heimatschule Mitteldeutschland und Ingenieurschule Weimar teilweise wieder aufgenommen. Diese dienten zum Teil als Tamung.
Die Reichswehr begann schon 1920 damit, wieder Piloten für Fliegerverbände auszubilden. Die dazu nötigen Anlagen wurden mit Tarnnamen versehen. Ab 1926 folgte der Bau einer Betonpiste für Starts und Landungen. Das Projekt, Ende der 20er Jahre einen Zeppelinflughafen zu errichten verwarf man aus Kostengrunden wieder.
Die Heimalschule wurde von 1932 bis Juli 1933 als "Schutzhaftlager" für Regimegegner genutzt und ging so als erstes KZ in Deutschland, bewacht durch die SA, in die Geschichte ein. Im Schnitt war das Lager mit 200 Häftlingen belegt. Nachdem seitens offizieller Stellen Bedarf am Flugplatz angemeldet wurden, erfolgte die Schließung des Lagers.
Ab März 1933 erfolgte der Um- und Neubau von Flugzeughallen. Als neue Nutzung sollte der Flugplatz Hauptübungsstelle für Thüringen werden. Zwei Jahre später wird Nohra Ausbildungsstätte des deutschen Luftsportverbandes. Dahinter verbirgt sich die noch getarnte Luftwaffe. Ab 1. März wird aus dem Flugplatz der "Fliegerhorst Weimar-Nohra".
Der Bau der Kasernenanlage im Wald erfolgte 1937. Anschließend Nutzung des Ortes vorwiegend für Ausbildungszwecke. Allerdings werden während des Krieges auch Einheiten zur Auffrischung hierher verlegt. Nach Eroberung der Lufthoheit über Deutschland sind die Flugplätze der Luftwaffe ein bevorzugtes Ziel der Alliierten. Auch der Fliegerhorst Nohra wird mehrfach angegriffen, dabei werden Flugzeuge und Gebäude zerstört.
Nach der Kapitulation übernimmt die 9. Airforce der US-Armee den Standort. Sie stationiert eine Einheit zur Luftraumüberwachung. Am 8.Mai 1945 landen hier spektakulär ein Düsenjäger Me-262 und eine Ju88 in Nohra. Ihre Insassen sind auf der Flucht vor den Russen.
Die Amerikaner bauzen die Gebäude auf und nutzen den Flugplatz zum Ausfliegen von Buchenwaldhäftlingen. Außerdem landen mehrmals Vertreter der internationalen Presse und Kongressabgeordnete sowie Senatoren in Nohra. Sie wurden zur Besichtigung des KZ Buchenwald eingeflogen.
Ab Juli 1945 wird das Areal durch die Rote Armee genutzt. Die reißt erstmal wieder ab und verbringt die Hallen in die Sowjetunion. Einige Dienstgebäude aus den 30er Jahren blieben allerdings bis 1992 erhalten. Im Jahr 1947 setzt wieder Bautätigkeit ein. Sie Sowjetarmee nutzt den Standort von 1956 bis 1992 als Flugplatz. Zuerst sind Jak-12 Kampfflugzeuge, anschließend Mi-1/Mi-2 Hubschrauber, ab 1969 Mi-8, ab 1979 Mi-8 (Kampfhubschrauber) und Mi-24, ab 1982 Aufklärungsdrohnen und drei Mi-26, die größten Hubschrauber der Welt, stationiert.
Der Flugplatz wird ständig erweitert, in den 50er Jahren kommen erste Flugleitstelle, 16 Betonstellplätze für Hubschrauber und Wohnblöcke hinzu. In den 70er Jahren entstehen die kleine Wartungshalle und weitere 14 Stellplätze.
In den Jahren 1978-80 folgen neue Flugleitstelle, drei Staffelgebäude, weitere Unterkunftsbauten, Schule, Sporthalle und Plattenbauten. Weiterhin entstehen 60 zusätzliche Hubschrauberstellplätze in Nohra-Ost (Ulla-Festwiese). Noch 1987 wird das Tank- und Munitionslager erweitert. Fünf Jahre später wird vieles demontiert und selbst Betonfertigteile werden nach Russland abtransportiert.
Die alte Kaserne, nach der Wende noch gesichert sowie bewacht und 1994 als Denkmal ausgewiesen (einige Gebäude), verkommt seit Jahren. Vandalismus und Plünderung, fehlende Nutzungskonzepte oder abgelehnte besiegeln nun das Schicksal. Kürzlich wurde der Abriss durch die LEG verkündet. Das Kasino, die Wachhäuschen und auch der inzwischen mit Graffiti geschändete Lenin könnten erhalten bleiben. Hier wäre mehr möglich gewesen.
Christian Handwerck wird die Entwicklung allein nicht aufhalten können, aber er wird weiter forschen und Vorträge wie zum ersten Ullaer Flugplatzfest im Juli über die Geschichte des einstigen Militärstandortes halten.

Quelle: Christian Handwerck, www.fliegerhorst-Nohra.de

Bildunterschriften:
Ein verblassender Stern - 1992. Fotos (2): Horst Zange
Ein Düsenjäger Me-262 und eine JU 88, die am 8. Mai 1945 in Nohra landeten, wurden von Amerikanern bestaunt, Lenin tront heute noch, der "abgespeckte" Hangar lässt grüßen und zur 750-Jahr-Feier landete in Ulla die gute "Anna". Fotos: C. Handwerck
Quelle: Allgemeiner Anzeiger vom 27.08.2008 | Tags: Abriss, Flugplatz, Nohra, Ulla3279 Mal gelesen seit 03.03.2013